Jenseits der Neutralität

Autor/innen

  • Ursula Plassnik Österreichische Europa- und Außenministerin (2004-2008)

DOI:

https://doi.org/10.15203/4177.vol53.2024

Abstract

Will Österreich als ernstzunehmender Partner und Miteigentümer des europäischen Einigungsprojektes wahrgenommen werden, muss es aktiv zur europäischen Sicherheit beitragen. Sicherheitspolitik ist der Auftrag zum Schutz von Bevölkerung, Territorium und Institutionen im Kontext der jeweiligen realen Bedingungen. Die Republik Österreich sollte angesichts des russischen Aggressionskrieges ihre tatsächlichen sicherheitspolitischen strategischen Optionen dringend genauer prüfen. Scheuklappenfrei, im Rahmen der Neutralität, aber auch jenseits derselben. Neutralität ist ein trügerisches Schein-Schutzschild. Wunschdenken schützt nicht. Gegen Gewalttäter hilft keine Neutralität, weil Aggressoren Neutralität genauso wenig respektieren wie Völkerrecht, politische Grundregeln und das Gewaltverbot. Selbst eine aktive Neutralitätspolitik oder militärische Neutralität ist kein Auftrag zur Versteinerung, sondern erfordert die laufende Anpassung an die jeweiligen sicherheitspolitischen Gegebenheiten und Herausforderungen. Ernsthafte Sicherheitspolitik kommt in einer Demokratie nicht ohne öffentliche Diskussion aus. Sich selbst ein möglichst umfassendes Bild zu machen, Vorteile und Nachteile nüchtern abzuwägen, Überholtes zu erkennen und allenfalls hinter sich zu lassen – das ist das Wesen des selbstbestimmten Bürgers, davon lebt Freiheit. Auf Dauer hat man nur, was man auch zu verteidigen gewillt ist.

Downloads

Veröffentlicht

2024-05-14