Eine kurze Ideengeschichte der völkerrechtlichen Neutralität in Europa bis zum Ersten Weltkrieg

Autor/innen

  • Miloš Vec Universität Wien

DOI:

https://doi.org/10.15203/4170.vol53.2024

Abstract

„Neutralität“ ist ein Grundbegriff der politisch-sozialen Sprache und findet seinen vermutlich prominentesten Anwendungsbereich im Feld des Völkerrechts und der internationalen Beziehungen. Sowohl die europäische Völkerrechtswissenschaft als auch die Staatenpraxis entwickelte während der Frühen Neuzeit langsam eine positivere Haltung dazu, die sich im Verlauf des 19. Jahrhunderts zu einer Anerkennung als Institut des positiven Völkerrechts ausweitete. Neutralität wurde völkerrechtswissenschaftlich definiert, blieb dabei in vielen völkerrechtspolitischen Details umstritten und wurde doch übereinstimmend als ein „Grundgesetz“ der internationalen Beziehungen gesehen. Diese Wahrnehmungsverschiebung verarbeitete historische Konflikterfahrungen der Staatenpraxis und mündete im Verlauf des 19. Jahrhunderts in einer völkerrechtlichen Kodifikation. Gleichwohl blieb ein Spannungsverhältnis zwischen Rechtspositionen und dem tatsächlichen Machtgefälle in den internationalen Beziehungen, die den Status von neutralen Staaten prekär erscheinen ließen. Auch wurde die völkerrechtliche Frage juristisch erlaubter Neutralität mit einer politischen Betrachtungsweise kontrastiert, wonach Nicht-Neutralität manchmal wünschenswerter erschien. Uneinheitlich bewertet blieb auch das Verhältnis von Neutralität zu Unparteilichkeit. Mit der Ächtung des Krieges nach dem Ersten Weltkrieg und dem Gewaltverbot unter der UN-Satzung veränderte sich die Wahrnehmung und Bewertung der Neutralität nochmals. Sie geriet wieder stärker unter Rechtfertigungsdruck gegenüber der Forderung nach
Solidarität unter den Staaten gegenüber Friedensbrechern, die zu sanktionieren sind.

Autor/innen-Biografie

  • Miloš Vec, Universität Wien

    Miloš Vec wurde 2012 auf eine Professur für Europäische Rechts- und Verfassungsgeschichte an die Universität Wien berufen. Von 2016-2020 war er Permanent Fellow am Institut für die Wissenschaft vom Menschen (IWM), Wien. Er war ebenso Fellow am Wissenschaftskolleg (Berlin), Honorary Fellow am Historischen Kolleg – Institute for Advanced Study in History (München), sowie Senior Hauser Fellow an der NYU. Außerdem arbeitet er als freiberuflicher Journalist, vor allem für die FAZ, und ist Co-Editor des Journal of the History of International Law sowie Mitherausgeber der Zeitschrift für Historische Forschung (ZHF), Vierteljahresschrift zur Erforschung des Spätmittelalters und der frühen Neuzeit.

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Veröffentlicht

2024-05-22